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Späte Elternschaft kann vieles sein: Lifestyle-Trend oder medizinisches Los

Nicht nur ausserhalb der KiWu-Bubble ist es ein Fakt, dass vor allem Frauen bei der Familienplanung immer älter werden - wobei das keineswegs heisst, dass dies immer der Plan A war. Passend zu unserem Wochenthema auf Social Media findest du hier einige Aspekte zu später Elternschaft, die dir bei der Orientierung weiterhelfen sollen.


Vorab: Die meisten meiner Klientinnen sind tatsächlich schon über 35, aber sie haben zumeist früher schon mit ihrem Kinderwunsch begonnen. Manchmal läuft es aber nicht nach Plan und kann mehrere Jahre dauern.


Der Stempel "40"

Was mich immer wieder aufregt, ist dass viele lokale Frauenärztinnen und Frauenärzte Patientinnen auch ohne Indikation regelrecht Angst machen, wenn sie sagen, dass ein Kinderwunsch ab 40 unrealistisch sei. Hierbei wird meistens überhaupt nicht berücksichtigt, was der bisherige Weg dieser Patientin war. Da fällt einfach diese eine Zahl, als würde man die Leute in zwei Gruppen einteilen: Realistisch vs. Schlag es dir aus dem Kopf.


Allen Frauen, die so etwas schon einmal hören mussten, möchte ich an dieser Stelle erst einmal Mut machen. Ja, ab ca. 35 Jahren nimmt die Fruchtbarkeit zwar tendenziell ab, aber es gibt einerseits sehr viele Möglichkeiten, wie man diese Entwicklung verlangsamen kann (Stichwort Eizellenqualität - schau mal in meinen Onlinekurs!) und andererseits gibt es ganz viele Beispiele, in denen eine Elternschaft auch ab 40 noch möglich war. Manchmal war vielleicht ein bisschen medizinische Nachhilfe möglich, aber ausgeschlossen ist dies keineswegs. Frauenärzte, die pauschal solche Aussagen treffen, gehören in die Ära des letzten Jahrhunderts.


Was man berücksichtigen sollte, ist dass Schwangerschaften ab 35 oder 40 statistisch ein höheres Risiko bergen. Nun ist aber nicht jede Schwangerschaft ab 35 automatisch eine Hochrisikoschwangerschaft. Das Vorkommen von Bluthochdruck oder Schwangerschaftsdiabetes ist auch stark vom Allgemeinzustand der Patientin abhängig. Eine engmaschigere Begleitung kann hier sehr viele Risiken minimieren oder zumindest besser managen.


40 Plus hat seine Herausforderungen

Heutzutage wird Social Freezing als die oft beste Option für eine alterslose Mutterschaft verkauft - das Rundum-Sorglospaket quasi. Diese Einschätzung kann ich nach meinen eigenen Erfahrungen und nach der jahrelangen Arbeit mit Betroffenen nicht teilen. Ebenso sind Prominente mit später Mutterschaft kein Vorbild für mich, weil deren Optionen auf Elternschaft realistischerweise nicht mit jenen von unsereins verglichen werden können.


Ältere Frauen sind im Leben sicherlich schon gefestigter und haben ihre Karriere schon weitgehend hinter sich, bzw. sie stehen auf eigenen Füssen und sind finanziell in ruhigeren Fahrwassern unterwegs, als wenn sie mit 20 Jahren Mutter geworden wären. Trotzdem kann man eine späte Mutterschaft in einigen Punkten auch kritisch sehen, weil mit Social Freezing nicht alle Entwicklungen des Lebens eingefroren und einfach nach hinten verschoben werden können. Hier sollte man zwischen Werbung und den eigenen innersten Beweggründen unterscheiden.


Zum einen ist Social Freezing keine Garantie auf eine erfolgreiche und gesunde Schwangerschaft, auch nicht für eine eintretende ideale Partnerschaft. Indem ein Kinderwunsch nicht komplett adressiert, sondern einfach mal nach hinten verschoben wird, werden oft die Herausforderungen (evtl. medizinische Probleme, Partnerschaft, Lebensumstände) einfach mal ausgeklammert. Dass diese in zwanzig Jahren aber automatisch weg sein sollen, ist eben nicht garantiert.


Wenn der Kinderwunsch schon in jungen Jahren so stark ist, würde ich persönlich die Single-Elternschaft dem Social Freezing vorziegen (dies mal ohne jegliche Indikation für medizinische Hilfe), weil dieser Lebenstraum dann auch verwirklicht und begonnen werden kann. Eingefrorene Eizellen im Nacken zu haben, um nach zwanzig Jahren auch nicht mehr Optionen zu haben, hätte sich für mich persönlich stressig angefühlt, aber ich möchte betonen, dass dies stets eine individuelle Entscheidung ist. Die Stärken von Social Freezing sehe ich eher dort, wo man sich über seinen Kinderwunsch noch im Unklaren ist und diesen nicht aufschiebt, sondern gegebenenfalls erst noch entstehen lässt.


Obwohl besser situierte und unabhängige Frauen die Mutterschaft dank ihrer Lebenserfahrung vielleicht gelassener angehen können, bergen 20 Jahre mehr dennoch auch Herausforderungen. Gerade wenn man im Job eine riesige Karriere hingelegt hat, sich gewohnt war, dass alles immer nach seinen Wünschen funktioniert (z.B. in einer langjährigen Führungsposition), sich einen gewissen Lebensstandard gewohnt ist, dann kann einen ein Baby viel mehr aus dieser gefestigten Bahn werfen, als wenn man selbst noch extrem flexibel und dynamisch ist und sich noch keinen Mindeststandard in gewissen Bereichen etabliert hat.


Genauso wie bei der Partnerwahl ist man mit 20 für vieles offener, als mit 40. Mir sind nicht wenige Frauen begegnet, die gerade wegen ihres Alters viel schneller überfordert waren, weil keine einzige Konstante in ihrem Leben (die sie die letzten 20 Jahre hatten) mehr bestanden hat und das kleine Bündel alles komplett durcheinander gebracht hat. Hier ist auch an Themen zu denken wie der Freundeskreis, der evtl. um die 40 dieses Thema schon hinter sich hat und in anderen Sphären unterwegs ist.


Wenn es einfach nicht früher klappt

Gerade wenn das Wunschkind lange auf sich warten lässt, fühlen sich ältere Eltern oft unverstanden, weil ältere Elternschaft in der Gesellschaft sehr stigmatisiert wird und nicht selten als egoistisch abgestempelt wird. Das muss es aber überhaupt nicht sein.


Hat man die Karriereziele bereits erreicht oder für sich festgestellt, dass Karriere eben nicht alles ist, kann der Elternrolle ganz anders begegnet werden, als wenn beides gleichzeitig stattfinden muss (was meiner Meinung nach - egal welcher politischen Richtung man angehört - faktisch nicht möglich ist). Oft wird zum Beispiel eingewendet, dass die physische Belastbarkeit geringer sei. Jedoch gibt es auch Eltern, die sich gerade wegen des grösseren Altersunterschieds zu den Kindern besonders fit halten und für ein gesundes Leben sorgen, während nicht alle jüngeren Eltern hierauf Wert legen.


Ein weiteres Stigma in der Gesellschaft ist die Verwechslung von alten und altmodischen Eltern. Nur weil Eltern zehn oder zwanzig Jahre älter sind als andere Eltern ihres Kindes in der gleichen Schulklasse, müssen sie deswegen noch lange nicht altmodisch sein. Im Gegenteil: Es kann sogar ein Vorteil sein, über weit mehr Lebenserfahrung zu verfügen und sein Kind mit anderen Ressourcen (z.B. bei der Bildung) unterstützen zu können, als wenn man selbst noch mitten in der Karriere steckt. Auch hier ist die umgekehrte Seite der unreifen, jungen Eltern oft gesellschaftlich ausgeblendet.


Manchmal spielt das Leben einfach nicht so, wie wir uns das zu Beginn vorgestellt haben. Dass Eltern immer älter werden, ist ein Zeichen unserer Zeit, wobei man meines Erachtens keine allgemeine Aussage darüber treffen kann.

Für mich ist am Ende massgebend, was die Beweggründe für die Elternschaft sind. Möchte ich ein Kind, weil alle anderen in diesem Alter auch eines haben und es zu den gesellschaftlichen Erwartungen passt? Bei einer solchen Einstellung stellen sich mir die Nackenhaare, aber Hauptsache das Alter passt?

Bei manchen Menschen dauert diese Reise halt einfach länger und das kann niemand aussenstehendes bewerten, aber genau dann festigt sich dieser Wunsch oft viel intensiver, was sich dann auch in der grösseren Lebenserfahrung niederschlägt. Der Schlüssel zum Finden des "richtigen Zeitpunktes" ist daher, dass man sich genau mit seinem Kinderwunsch auseinandersetzt und die Beweggründe sehr kritisch hinterfragt. Je konkreter der Wunsch ist, desto eher sollte man ihn konkret anpeilen, um nicht später enttäuscht zu werden. Ist der Wunsch aber noch gar nicht ausgereift, kann sich in Zukunft alles noch ändern.


Am Ende ist sind es die individuellen Betroffenen, die das entscheiden können und niemand sonst.





 
 
 

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