Darum bin ich KEIN Kinderwunsch-Coach
- Anna Bergmann
- vor 2 Tagen
- 6 Min. Lesezeit
Zu Beginn dieses Beitrags steht mir noch die Schamesröte im Gesicht, denn was ich alles versucht habe, um schwanger zu werden, gehört teilweise in die Ecke der Peinlichkeiten. Wobei nein, heute sehe ich diese Ideen mit anderen Augen und finde sie nicht mehr wirklich peinlich, sondern unglaublich verzweifelt, aber der Reihe nach...
Auf meiner Kinderwunsch-Reise wurde mir recht schnell klar, dass diese nicht nach Plan verlaufen würde, denn wir waren beide jung, gesund, fit und haben uns ausgezeichnet ernährt. Es gab keine bekannte Einschränkung und je mehr diagnostiziert wurde, desto ratloser wurden die Ärzte. Natürlich kann es sein, dass auch ohne Diagnose eine Ursache für den unerfüllten Kinderwunsch vorliegt und diese einfach nicht gefunden werden kann, aber alles was im Rahmen des Möglichen war, haben wir getestet und es konnte ausgeschlossen werden.
So liegt es nahe, dass ich irgendwann an mir selbst zu zweifeln begann und mich frage, ob etwas mit mir nicht stimmen würde. Mit der Zeit wurde ich dessen sehr sicher, zeitweise glaube ich sogar, dass auf mir ein Fluch lasten würde. Natürlich versuchte ich zu verstehen, wer mir diesen aufgehalst hat und wem ich etwas Böses getan haben könnte - das ist als Juristin, die jeden Tag gegen eine Gegenpartei prozessiert natürlich ein Tummelfeld für destruktive Gedanken. Ich war auch überzeugt, irgendwelche Blockaden zu haben oder sonstige innerliche Knoten, warum es einfach nicht klappte.
Was lag also näher, als mich von Kinderwunsch-Coaches beraten zu lassen? Es fing an bei regulären Coachings, die mir vorwiegend zur Entspannung rieten, ich sollte es halt einfach locker angehen lassen mit dem Wunschkind (nach zweistelligen gescheiterten IVF-Versuchen...). Als das alles nicht half, schwenkte ich auch in die spirituelle Ecke, liess mir die Karten legen und ging - ja du glaubst es vielleicht kaum - zu Heilern, um mir meine Flüche austreiben zu lassen. Ich turnte emsig mit beim Kinderwunsch-Yoga und besuchte lange eine Hypnose-Therapie. Diese tat mir ausgesprochen gut und ich fühlte mich nach jeder Sitzung angenehm gelöst, bis die Therapeutin nach einem Jahr zu mir sagte: "Ach Anna, du bist halt einfach zu verkrampft, so will eine kleine Kinderseele überhaupt nicht zu dir kommen!", und die positiven Effekte verflogen innert Sekunden, zerschellten mein Selbstbewusstsein. Heute ist es mir nicht mehr peinlich, über Heiler-Besuche zu sprechen. Obwohl ich heute so etwas nie wieder machen würde, kann ich es rückblickend nachvollziehen, weil ich so verzweifelt war, dass ich an diesem Ende der Leiter angekommen bin.
An dem Begriff "Kinderwunsch-Coaching" stören mich deshalb zwei Faktoren, die ich gerne erläutern würde:
Pseudo-Defizit als Basis
Der überwiegende Teil von sogenannten "Kinderwunsch-Coachings" hat einen aus meiner Sicht perfiden - bishin zu kriminellen - Aufbau.
Sie suggerieren in der ein oder anderen Weise, dass mit der betroffenen Frau etwas nicht stimmt bzw. dass sie sich in einem ungenügenden Zustand befindet, in dem sie nicht schwanger werden kann.
Sie muss dann eben erst etwas gemäss der Methode X oder Y tun, damit sie sich selbst optimiert, damit sie in ihre Mitte kommt, damit sich ihre Blockaden lösen usw. Es wird also davon ausgegangen, dass mit dieser Frau etwas nicht in Ordnung ist und sie eine Bringschuld hat, um überhaupt wieder empfänglich zu werden für ein Kind. Dies impliziert auch, dass sie nur genug X oder Y betreiben muss, um dann eben schwanger zu werden. Das ist nichts anderes als eine Schuldzuweisung, nur ist sie verpackt in schöne Affirmationskarten ("Ich liebe mich selbst jeden Tag").
Das Problem dabei ist, dass nicht nur eine Vielzahl diesen Methoden wissenschaftlich überhaupt keine Wirkung nachgewiesen werden kann, sondern dass sie sogar darüber hinaus einen schädigenden Effekt haben.
Wird die Teilnehmerin nach einem Jahr durch die Meditationsmethode XY immer noch nicht schwanger, liegt es nahe zu behaupten, dass sie dann halt eben nicht gut genug meditiert hat. Dies zerstört nicht nur das Selbstwertgefühl der Betroffenen, sondern sie haben dann noch ein neues Problem. Besonders gefährlich finde ich Angebote, die mit vermeintlich schwangeren Kundinnen werben, nach dem Motto: "Schon so und so viele Kundinnen sind erfolgreich schwanger geworden". Es ist wissenschaftlich ausgeschlossen, den Erfolgsfaktor einer Schwangerschaft identifizieren zu können.
Es ist also viel wahrscheinlicher, dass diese Probandinnen einfach zufällig schwanger geworden sind und vielleicht gar keine Unterstützung gebraucht hätten. Eine solche Werbebotschaft verstärkt bei Betroffenen aber den Gedankengang: "Wenn ich nur auch genug XY mache, dann wird es bei mir auch klappen!"
Hinzu kommt, dass Methoden wie Meditieren, Blockaden lösen usw. völlig ausser acht lassen, dass es faktische medizinische Einschränkungen gibt, die durch solche Methoden (selbst wenn sie einen Placebo-Effekt hätten) unmöglich umwunden werden können. Bei verschlossenen Eileitern, genetischen Defekten oder Azoospermie kann man noch so viel Kinderwunsch-Yoga machen - diese Diagnose wird sich dadurch nicht mit der Kraft der Gedanken beseitigen lassen.
Vielfach ist auch vom Begriff "ganzheitlich" die Rede. Ich finde es wichtig, dass ein unerfüllter Kinderwunsch dahingehend ganzheitlich angeschaut wird, dass nicht nur auf medizinische Faktoren geschaut wird, da oft einige Anpasungen im Lebensstil positiv dazu beitragen können.
Der Begriff "ganzheitlich" wird aber sehr inflationär benutzt und oft eher als Etikette für eingangs genannte Methoden gewählt, um damit auszusagen, dass genau diese Methode eben noch fehlt, um damit schwanger zu werden. Das ist nichts anderes als Manipulation der verzweifelstenund hoffungslosesten Frauen.
Eine Frau mit verschlossenen Eileitern kann aber den perfekten Lebensstil haben und nach der obigen Logik vollkommen mit sich im Reinen sein, trotzdem wird sie ein solch "ganzheitlicher" Ansatz nicht weiterbringen. Es ist zweifellos gut, verschiedene Optionen zu prüfen und auch naturheilkundliche Verfahren haben ihre Berechtigung, aber ich habe Mühe damit, wenn Nischen als "ganzheitlich" verkauft werden, die jegliches Gesamtbild wiederum ausser Acht lassen, was nämlich genau den gegenteiligen Effekt zur Folge hat. Dies bringt mich zum zweiten Punkt:
Zertifizierte Kinderwunsch-Coaches: Eine Personalia, die mehr verspricht als sie halten kann
Viele Personen nennen sich Kinderwunsch-Coaches oder verfügen sogar über eine Zertifzierung hierzu. Diese mag seriös aufgebaut sein und viele relevante Inhalte dieses Themas vermitteln. In jedem Fall handelt es sich dabei aber um einen privaten Abschlzss mit beliebigem Inhalt.
Oft sind Kinderwunsch-Coaches keine dezidierte Fachpersonen. Die einzigen Fachpersonen, die wenn überhaupt meiner Meinung nach nachweislich und wesentlich etwas zum Kinderwunsch beitragen können, sich Reproduktionsmediziner.
Alle anderen - und hierunter fallen auch Psychologinnen - können einen allenfalls beim Umgang damit oder bei einzelnen Aspekten davon unterstützen (wie z.B. Ernährungsberater), aber letztlich hat keiner von ihnen - auch nicht der Reproduktionsmedizinier - in der Hand, ob und wann jemand schwanger wird.
Auch zertifizierte Ernährungsberaterinnen, Psychologinnen, systemische Coaches usw. sind aufgrund ihrer Ausbildung nicht in der Lage, den ganzen medizinischen Kontext zu beurteilen.
Ich kann also niemandem Nahrungsergänzungsmittel mit der gesicherten Wirkung einer Schwangerschaft verkaufen, wenn ich kraft meiner Ausbildung keinen medizinischen Teil dazu abdecken kann, wo das vollständig eingeordnet werden kann.
Der Titel "Kinderwunsch-Coach" weckt nicht selten bei Betroffenen die Vorstellung, dass diese Person aktiv etwas für ihren Kinderwunsch tun kann - und das ist realistisch betrachtet schlicht falsch. Keiner der neun Milliarden Menschen der Welt kann eine Schwangerschaft beeinflussen.
Auch an dieser Stelle wird oft mit schwangeren Klientinnen geworben, was ich höchst unseriös finde, weil auch hier der Beweis der Kausalität fehlt.
An dieser Stelle möchte ich sogar noch einen Schritt weiter gehen: Viele Kinderwunsch-Coaches haben selbst keine Berührungspunkte mit dem Thema unerfüllter Kinderwunsch, sondern sind in angrenzenden Bereichen wie Yoga, Ernährungsberatung usw. tätig. Obwohl sie dort sicherlich über eine gute Expertise verfügen und es auch gut meinen, fehlt ihnen meiner Ansicht nach die Tiefe der Erfahrung in diesem Thema. Unerfüllter Kinderwunsch ist kein oberflächliches Problem wie ein paar Kilos zu viel, sondern hat einen Tiefgang, der in den meisten Fällen physisch und psychisch einen medizinischen Schweregrad erreicht hat.
Die Zielgruppe der Kinderwunsch-Patientinnen "einfach mitbehandeln" zu wollen, fällt daher oft in die Kategorie der grenzenlosen Selbstüberschätzung bzw. Anmassung.
Ich habe mich daher bewusst dagegen entschieden, mich Kinderwunsch-Coach zu nennen oder Kinderwunsch-Coachings anzubieten. Ich selbst habe für solche Angebote einen hohen fünfstelligen Betrag in den Sand gesetzt, den ich letztlich dafür bezahlt habe, dass Menschen mir einreden wollten, ich hätte doch eigentlich nur ein Mindset-Problem und sei halt zu wenig ganzheitlich unterwegs, wenn es denn noch klappen soll.
Am Ende hatten alle meine Kinderwunsch-Coaches eines gemeinsam: Sie hatten doch keine wirkliche Antwort jenseits der Blockaden, warum es nicht klappte.
Deshalb bin ich Coach bei UNerfülltem Kinderwunsch
Meine Bezeichnung als Coach bei unerfülltem Kinderwunsch klingt um einiges uncooler - ich weiss - aber es ist eine Bezeichnung, bei der ich zu 100% dahinterstehen kann. So geht es in meinem Coaching auch nicht primär um den Eintritt der Schwangerschaft, weil ich mich radikal davon distanziere, diesen beeinflussen zu können.
Stattdessen fokussiere ich mich auf den Umgang mit diesem Zustand im Alltag, weil es möglich sein muss, auch bei schwierigeren Rahmenbedingungen eine Weile diesen Traum verfolgen zu können - im Idealfall bis zum Erfolg. Der entscheidende Unterschied ist dabei, dass ich die Betroffene nicht als Mensch mit Defiziten und Problemen sehe und anbiete diese zu lösen. Mein Grundsatz ist, dass jede Frau in der Lage sein kann, ihren Kinderwunsch aktiv zu handhaben, sich souverän zu positionieren und sich zu holen, was sie gerade braucht. Manchmal wissen Betroffene einfach nicht, wo sie welche Prioritäten setzen sollen und wo eventuell Fallstricke lauern. Diese schauen wir uns gemeinsam an und bereiten uns gezielt darauf vor - ohne Watte und ohne karmische Schwingungen, sondern mit praktisch erprobten Strategien und wirksamen Werkzeugen. Genau hier verfüge ich nicht nur als prozesserfahrene Juristin über Kompetenzen der komplexen Problemlösung und -kommunikation, sondern ich war als ehemalige Betroffene von 32 Kinderwunsch-Behandlungen so tief in diesen Problemen drin, wie kaum jemand es jemals sein möchte. Die schiere Zahl von 32 Kinderwunsch-Behandlungen impliziert notgedrungen eine vielschichtige Extremsituation, die man als Unbeteiligte sich nicht anlernen kann, sondern die man erlebt haben muss, um sie in ihrer ganzen Tragweite zu erfassen. Dabei geht es nicht um medizinische Fakten, sondern um die viel gewichtigeren weiteren Auswirkungen.
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