Darum sind "Kinderwunsch-Vitamine" ein Marketing-Gag

Wenn der Algorithmus einen erstmal im Griff hat, kann man sich als KiWu-Kämpferin kaum noch retten vor Angeboten rund um "Schwangerschafts-Vitamine" oder "Kinderwunsch-Supplements" in allen Farben und schönen Verpackungen. Manche werden sogar durch bekannte KiWu-Influencerinnen vertrieben und im Rahmen von Network-Marketing-Systemen angeboten.

Die meisten dieser Produkte werden nach folgendem Schema angepriesen: "Ich habe so lange nach einem umfassenden Produkt für Kinderwunsch gesucht und endlich gibt es das bei mir!", dann werden zahlreiche Produkte auf den Markt geschmissen, die angeblich für Kinderwunsch besonders gut sein sollen. Sie haben alle ihren Preis.

Es gibt keine "Kinderwunsch-Vitamine"

Erstmal gibt es keine spezifischen Kinderwunsch-Vitamine. Alle Vitamine, Spurenelemente und sonstigen Nährwerte, die man in der Schwangerschaft braucht, benötigt der Körper auch sonst. Es ist bloss so, dass manche davon in der Schwangerschaft besonders wichtig sind. Viel eher geht es aber um die Zeit davor, denn die richtige Zusammensetzung an Nährstoffen ist zuerst einmal für die Eizellenqualität wichtig.

Man muss also unterscheiden zwischen Nährstoffen für den Kinderwunsch und Nährstoffen für die Schwangerschaft.

Diese beiden Situationen können völlig unterschiedlich sein, da z.B. durch Schwangerschafts-Diabetes oder andere Nebenwirkungen eine völlig neue Situation entstehen kann, die es in der KiWu-Zeit noch nicht gab und umgekehrt.

Mehr ist nicht mehr

Viele dieser Produkte werden damit angepriesen, dass einige Vitamine (z.B. D, B6, B9) besonders hoch dosiert seien. Es ist richtig, dass diese Vitamine für eine gesunde Schwangerschaft besonders wichtig sind. Eine hohe Dosierung hilft aber nicht in jedem Fall - vor allem nicht die gleiche Dosierung.

Viel wichtiger als eine Supplementierung ist erstmal eine gesund Ernährung.

Viele Nährstoffe kann der Körper - wenn überhaupt - einfacher aufnehmen, wenn man sie durch gesunde Nahrung aufnimmt, statt chemisch zu supplementieren. Es ist also der falsche Weg, eine nur teilweise gesunde Ernährung zu pflegen und dann den Rest einfach mit Supplements gutmachen zu wollen. Genau für dieses schlechte Gewissen scheinen sich diese Produkte wie warme Semmeln zu verkaufen. Wenn du dich aber bereits ausgewogen ernährst und die wichtigsten Nährstoffe für gute Eizellen bzw. für eine gesunde Schwangerschaft kennst, brauchst du oft gar keine Supplements.

Eine zu hohe Dosierung gewisser Stoffe (gerade wenn man sie auf natürlichem Weg schon aufnimmt) kann umgekehrt wieder negative Auswirkungen auf andere Prozesse haben. Mehr ist also hier nicht mehr. Trotzdem kaufen viele KiWu-Kämpferinnen tonnenweise Nahrungsergänzungsmittel dieser Art, weil sie denken, dass sie mit der doppelten Dosis ja nichts falsch machen können.

Individuelle Ausgangslage

Die einzige Variante, wie du gezielt und richtig supplementieren solltest, ist ein Blutbild zu Beginn des Kinderwunsches. Auch bei ausgewogener Ernährung kann es sein, dass dein Darm nicht vollständig im Gleichgewicht ist und daher manche Stoffe gar nicht aufnehmen kann, egal ob du sie natürlich oder supplementiert zu dir nimmst. Nur ein vertieftes Blutbild kann dir solche Informationen liefern.

Welche Dosis welcher Nährstoffe für dich relevant ist, steht nicht einfach irgendwo in einer Tabelle, sondern ist auch abhängig von deiner Ernährungsform (z.B. Vegetarierin, Veganerin) und von weiteren Faktoren (z.B. PCOS, Endometriose).

Ein Blutbild kostet nicht viel (ca. 35-60 Euro) und kann entweder beim Hausarzt oder sogar in spezialisierten Walk-In Labs gemacht werden. Dann sieht man ganz genau, was dir fehlt und in welcher Dosis dies supplementiert werden soll. Auch bei der Dauer der Supplementierung kann man Rückschlüsse daraus ziehen, wie gut du einen Nährstoff aufnimmst. Daher ist eine Zwischen- bzw. Nachkontrolle unerlässlich, um zu merken, ob du bei der gleichen Dosis bleiben kannst, oder ob etwas angepasst werden muss.

Preisunterschiede

In fast allen Fällen ist die gezielte Supplementierung am Ende viel günstiger, sogar wenn man alle paar Monate ein Blutbild einberechnet. Die meisten Schwangerschafts-NEMs kosten pro Monat mindestens 50 Euro. Sie enthalten aber auch eine Menge unnötiger Inhaltsstoffe, die du mitbezahlst. Vor allem bezahlst du aber das Label "KiWu" oder "Schwangerschaft", obwohl Vitamin D einfach Vitamin D ist, egal für welchen Zweck. In aller Regel müssen bei KiWu-Patientinnen (die ja sowieso schon bewusst essen) nur wenige Stoffe supplementiert werden, die einzeln meist günstiger sind.

Noch ein paar Worte zum Marketing

Ich bin selbst schon unzählige Male von Network-Marketerinnen von Influencerinnen angeschrieben worden, die mich und meine Reichweite als Vertriebskanal nutzen wollten. Sie boten mir attraktive Rabatte an, wenn ich ihre Produkte vertreiben würde. In vielen Fällen handelte es sich aber um Personen, die selbst kaum auf Instagram aktiv waren bzw. selbst noch ganz am Anfang standen. Das muss kein schlechtes Zeichen sein, dennoch sei an der Stelle die Frage erlaubt, über welche Expertise diese Personen genau verfügen, die ja letztlich von meiner Kommission leben würden. Kennen sie die Produkte wirklich im Detail, die sie vertreiben? Kennen sie auch heikle Faktoren, wann man evtl. im Einzelfall davon abraten muss? Genau deshalb vertreibe ich keine solchen Produkte (mit), weil ich in diesem Gebiet keine Expertin bin und dies den Fachleuten überlassen möchte.

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