Diese Antwort akzeptiere ich von keiner Klinik
- Anna Bergmann
- vor 16 Stunden
- 5 Min. Lesezeit
Kürzlich sprach ich mit einer Klientin über ein traumatisches Erlebnis in der KiWu-Klinik, das sehr deutlich zeigt, wie weit wir noch von einer idealen und emphatischen Versorgung entfernt sind. Die Klientin (deren Geschichte ich natürlich erzählen darf) hatte schon eine IVF in einer Uniklinik hinter sich, bei der sie noch vor der Narkose auf der OP-Liege fixiert wurde, während allerlei Handgriffe an ihr vorgenommen wurden. Eine solche Zurschaustellung - und sei es nur im medizinischen Kontext - ist entwürdigend und unnötig.
Viel schlimmer war aber die Reaktion der nächsten Klinik, in der sich die Patientin vorgestellt hatte. Die erste IVF-Behandlung hat bei ihr nur schlechte Eindrücke hinterlassen, sodass sie im Vorgespräch bei der neuen Klinik genau wissen wollte, wie die Fixierung und Anästhesie ablaufen. Auf die Frage hin, ob sie die Anästhesie vor der Fixierung erhalten könnte, lautete die Antwort: „Nein, das machen wir schon immer so!“ (erst Fixierung, dann Anästhesie). Wenn ich den Satz „Das machen wir immer schon so“ höre, dann stellen sich bei mir die Nackenhaare.
Da nimmt eine Patientin all ihren Mut zusammen und fragt gezielt nach einem Ablauf, der für sie offensichtlich unangenehm ist und wird dann mit so einer Antwort abgewatscht.
Lasst uns an der Stelle einen kurzen Exkurs machen, warum mich diese Antwort so stört: In meiner bisherigen Laufbahn sollte ich mal eine Behörde umstrukturieren. Wir wissen alle, welchen Ruf Behörden manchmal haben und nach meinem Einsatz dort kam ich zum Ergebnis, dass das oft zu Recht der Fall ist. Es waren viele gute Mitarbeiter dort, die fachlich gute Arbeit leisteten. Wenn ich aber hier und da kleine Mängel entdeckte oder ineffiziente Abläufe (…und davon gibts bei Behörden viele!), dann bekam ich in den meisten Fällen zu hören: „Das haben wir halt immer schon so gemacht!“. Da waren Mitarbeiter, die seit dreissig Jahren den gleichen Text für eine Verfügung verwendeten, obwohl dieser unverständlich war. Es hagelte Woche für Woche Einsprachen gegen diese schwer verständlichen Verfügungen, aber die konnten ja dem Kollegen zugewiesen werden und weiter wurde darüber nicht nachgedacht. Das erste was diese Mitarbeiter machen mussten: Sie mussten sich das erste Mal ins Gegenüber hineinversetzen, versuchen den Bescheid so zu erklären, wie sie es einem Laien erklären würden. Nun, die meisten Bürger sind Laien. Und siehe da, plötzlich haben sie sich hingesetzt, ihren Text mehrmals umgestellt und je nach Fall noch ein paar Sätze ergänzt, warum in dem jeweiligen Fall ein abschlägiger Entscheid gesprochen wurde. Sie bekamen nicht nur plötzlich das Gefühl, gebraucht zu werden und eine sinnvolle Arbeit zu machen, bei der sie sich gefordert fühlten, sondern gleichzeitig sank die Einsprache-Quote auf ein Minimum.
Seitdem - egal um was es geht - akzeptiere ich jede Antwort, aber nicht: „Das haben wir halt immer schon so gemacht“.
In meiner Beratung verwende ich so viel Zeit dafür, schlechte Erfahrungen aus Kliniken wieder auszubügeln. Warum ist das so wichtig? Es muss gar nicht immer die übergriffe Behandlung im intimen Rahmen sein, es reicht schon, wenn Fragen nicht beantwortet werden, wenn Ärzte vorweg nehmen, dass eine bestimmte Auskunft in ihrer Wahrnehmung ausreichen muss und so weiter. Viele KiWu-Ärzte haben ein 1,0-Abitur gemacht und waren vielleicht Granaten beim Auswendiglernen im Medizinstudium und vielleicht sind sie auch Meister ihres Fachs. Was ich aber täglich sehe, ist oft eine abgestumpfte Routine, alles muss durchgetaktet werden, weil jede zusätzliche Frage in ihrer Wahrnehmung unnötig ist.
Da muss ich klar sagen: Stopp - dann habt ihr euren Beruf verfehlt und das gilt auch für das Personal, das sich so verhält. Eine KiWu-Klinik ist ein Ort von emotionalen Ausnahmezuständen. Mir ist in all den Jahren jedenfalls noch keine Patientin begegnet, die zu einer IVF angetreten ist und dachte: „Hey, voll easy, ich fülle nebenbei meine Steuererklärung aus!“
Um eine gute KiWu-Klinik zu sein, reicht es heutzutage nicht mehr, einfach nur gute Reproduktionsmedizin anzubieten. Als Orthopäde reicht es, wenn ich gut Knie operieren kann und mein Patient danach wieder problemlos laufen oder Tennis spielen kann. In der KiWu-Klinik ist das Wirkungsfeld aber ungleich grösser: Die Patientinnen sind alle schon einen langen, schweren Weg gegangen, manche von ihnen sind schon ganz am Ende angelangt. Für sie geht es um alles oder nichts und manchmal ist es ein ganz kleiner Tropfen wie eben eine unsensible Fixierung, der das Fass zum Überlaufen bringt. Das heisst nicht nur, dass eine Patientin emotional über ihre Grenzen geht (und damit abends allein ist), sondern dass sie im schlimmsten Fall ihren Traum vom Baby deswegen aufgibt. Konkret heisst das auch, dass sie in der Klinik nicht mehr auftauchen wird.
Ich frage mich immer: Muss das sein? Wer in einer KiWu-Klinik arbeitet, von dem erwarte ich, dass er bzw. sie jeden Tag zu 100% bei der Sache ist. Dazu gehört nicht nur eine medizinische Analyse, sondern ein Denken über den Tellerrand hinaus: Man hat einen extrem verzweifelten Menschen vor sich sitzen, der gerade über seine Grenzen geht, um überhaupt hier sein zu können. Dazu gehört es, überall wo es möglich ist, einen Schritt auf die Patientin zuzugehen. Das bedeutet, dass Prozesse zugunsten der Patientinnen angepasst werden (merke: sie zahlen den Ärzten den Lohn, nicht umgekehrt!), dass ihnen auf emphatische Weise begegnet wird und sie nicht als Nummer gesehen werden. In meiner Arbeit erlebe ich es oft, dass Ärztinnen und Ärzten, aber auch dem sonstigen Klinikpersonal nicht klar ist, in welchem Zustand ihre Patientinnen am Abend nach Hause gehen. Sie tragen mit ihrem Verhalten wesentlich dazu bei, ob jemand mit einem negativen oder positiven Gefühl aus der Klinik hinausgeht.
Am Ende geht es doch um die Frage: Mache ich auch nach einem negativen Ergebnis nochmals einen Versuch, weil ich mich in der Klinik wohl fühle?
Ich war auch oft in der Situation, dass ich nicht wusste, wie ich mit der KiWu-Klinik sprechen muss, damit ich die Antwort bekomme, die ich gerne möchte. Irgendwann habe ich dank meinen Kenntnissen als Vernehmungsspezialistin (ja, das was du denkst: die Leute die Verbrecher oder Opfer befragen) den Spiess umgedreht und mir meine Fragen vorher so zurechtgelegt, dass es für die Klinik kein Ausweichen mehr gab. Weisst du, was dann passiert ist? Ich ging nicht mehr völlig emotional am Limit in diese Besprechungen, sondern ich hatte von Anfang an einen klaren Kopf. Ich war auf jede Frage gefasst, konnte bei jeder unvollständigen Antwort nachhaken. Am Ende ging ich glücklich aus der Klinik. Dabei war der Bescheid an sich gar nicht so wichtig, sondern das Gefühl, dass ich die Situation im Griff hatte, dass ich jederzeit wusste, was auch mich zukam und wie ich mich dann verhalten konnte. Das kannst du auch lernen!
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