Ein Tag mit unerfülltem KiWu, der nie wieder so werden wird
- Anna Bergmann
- 20. Apr.
- 7 Min. Lesezeit
Der ach so normale Tag beginnt damit, dass ich einen Termin bei der Frauenärztin habe, denn mal wieder muss ich einen Ultraschall machen, um zu wissen, ob es in diessem Zyklus schon losgehen kann mit der Stimulation. Die Profis unter euch wissen: Das bedeutet, dass man am zweiten oder spätestens dritten Zyklustag (ja, mitten in der Periode) zum Ultraschall geht, um einen kurzen Check zu machen, ob alles in Ordnung ist. Ein so mittelmässiges Gefühl...
Am Empfang muss ich mich anmelden und die freundliche Mitarbeiterin fragt: "Worum gehts denn heute?" und ich antworte verstohlen, dass ich zum Ultraschall komme. "Welche Woche?", fragt sie sehr routiniert und ohne mich anzusehen, während sie beschäftigt etwas in ihre Tastatur tippt und auf ihren Bildschirm starrt. Ich dachte, sie kennt mich, denn ich bin jeden Monat hier. Ich zögere eine Sekunde zu lang, jetzt habe ich ihre volle Aufmerksamkeit, dann kann ich endlich sagen: "Ich bin nicht schwanger. Ich komme für einen Ultraschall zur Vorbereitung der nächsten IVF!", und es fühlt sich an wie der Walk of Shame, obwohl ich keinen Schritt gehe. Wie oft hätte ich schon gerne gesagt: "28. Woche!", aber ich habe es noch nicht einmal bis zu Woche fünf geschafft.
Es fängt schon an, als ich im Wartezimmer sitze. An der Wand hängen lauter Bilder von einem professionellen Fotografen, der eine schwangere Frau kurz vor der Entbindung zeigt, wirklich ästhetische Schwarzweissbilder, aber leider wären auch Bilder eines exotischen Landes gerade nicht weniger fern für mich. Links und rechts von mir sitzen hochschwangere Frauen und ich fühle mich unendlich fremd hier drin.
Plötzlich stehe ich auf der Strasse und es ist, als ob ich gerade bei meinem eigenen Termin nicht dabeigewesen wäre. In meinem Kopf sehe ich nur diesen einen Satz wie eine Schlagzeile: "Da sind zwei grosse Zysten, Sie können auf keinen Fall mit der Stimulation beginnen", der mir immer wieder auf die Stirn geklatscht wird. Es sollte doch nur ein ganz normaler Ultraschall werden und ich sah mich in Gedanken schon zur Apotheke gehen und meine Medikamente kaufen, in den Flieger steigen, mit dem Partner vor der Klinik stehen und sich ganz fest umarmen - aber daraus wird nichts. Zumindest nicht gleich.
Ziellos laufe ich durch die Strassen und irgendwann weiss ich gar nicht mehr, wie ich in die Einkaufsstrasse gekommen bin, aber ich kehre in einen Buchladen ein und fühle mich dort wenigstens etwas geborgener. Was soll ich jetzt tun, wohin mit all meinen Plänen?
Irgendwann habe ich mich gesammelt und fahre mit der Strassenbahn nach Hause. Ein paar Reihen vor mir sitzt eine Frau, die mir irgendwie bekannt vorkommt. Ist sie es, oder ist sie es nicht; meine alte Klassenkameradin Isabelle? Manchmal schaue ich aus dem Fenster, siehe Bäume und Autos an diesem regnerischen Tag an mir vorbeiziehen. Plötzlich sagt jemand: "Anna?! Hey!", denn jetzt hat sie sich umgedreht. Tatsächlich ist es Isabelle. Wir gingen zusammen in die Oberstufe, aber danach habe ich sie aus den Augen verloren. "Wie gehts?", fragt sie fröhlich. Das ist diese eine Frage. Wäre sie irgendjemand, würde ich einfach sagen: "Gut und dir?", und das mache ich in diesem Moment auch. Aber eigentlich ist es ja Isabelle, die ich mal sehr gut gekannt habe und die - würde ich sie wieder ein bisschen näher kennen - zu der Kategorie gehören würde, zu der man eventuell auch eine ausführlichere Antwort gibt. Ich fühle mich, als wäre ich gerade mehrfach überfahren worden und mein Leben ist wie ein schlechtes Filmskript. Zu viel mehr Austausch kommen wir gar nicht, denn ich muss gleich aussteigen. Als ich aufstehe, um den Halteknopf zu drücken, fällt mein Blick auf Isabelles Hand. Er liegt auf dem Bügel eines Zwillingswagens und ich spüre direkt einen Stich im Bauch. Gequält verabschiede ich mich und eile aus der Strassenbahn. Ich kann meine Tränen gerade noch zurückhalten, damit sie mich nicht mehr sieht.
So oder ähnlich habe ich hunderte Tage mit unerfülltem Kinderwunsch ge- und erlebt. Aber es wird sie so nie mehr geben...
Die Tücken der Unsichtbarkeit
Ich habe in meinen Beiträgen vor allem auch in den sozialen Medien schon oft darüber berichtet, dass unerfüllter Kinderwunsch eine unsichtbare Diagnose ist. Dieser Umstand ist vor allem deshalb schwierig, weil es in der Gesellschaft kein anerkanntes medizinisches Problem ist. Wir denken automatisch so, dass vor allem sichtbare Krankheiten und Beeinträchtigungen schlimm sind und die Akzeptanz der Gesellschaft verdienen, wie zum Beispiel Gehbehinderungen. Um jetzt nicht falsch verstanden zu werden: Selbstverständlich ist eine Gehbehinderung auch schlimm und jede Person im Rollstuhl ist eine zu viel, ich möchte mit meiner Arbeit nur betonen, dass es auch unsichtbare medizinische Probleme gibt, die tatsächlich mit einem von sechs betroffenen Paaren auch gar nicht so selten sind, aber medial und gesellschaftlich unsichtbar bleiben. Doch darum soll es heute im Kern gar nicht gehen.
Aussen- und Innenwelt
Neben der mangelnden Akzeptanz als Diagnose bleibt unerfüllter Kinderwunsch auch deshalb unsichtbar, weil es oft einen riesigen Graben zwischen dem Leben in der Aussenwelt gibt und unseren Gedanken und Gefühlen im Inneren. Nicht selten kommen wir in sozial geregelte Situationen, etwa dass man auf der Strasse jemanden mit einem Kinderwagen trifft und sich zu freuen hat, weil das so von einem erwartet wird. Oder ich bin in der Arztpraxis und der soziale Rahmen dort ist so, dass es bei der Frauenärztin um Schwangerschaft geht. Die Patientinnen, die wegen Fehlgeburten oder schlechten Krebsabstrichen dort sitzen, sieht man nicht.
Mit der Schilderung dieses beispielhaften Tages möchte ich aufzeigen, wieviele innere Kämpfe Betroffene von unerfülltem Kinderwunsch ausfechten, die niemand von draussen erkennen kann. Unerfüllter Kinderwunsch ist ein Thema, das durch alle sozialen Gepflogenheiten durchfällt, weil man damit immer in groteske Situationen kommt.
Neulich schrieb mir eine Followerin, dass sie sich mal im Kindergarten in der Puppenspielecke (natürlich abseits von Kindern) eine Spritze setzen musste, weil es nicht anders ging. So eine Szene könnte man für einen Film nicht erfinden, weil niemand da drauf kommen würde. Und doch gibt es sie jeden Tag, die Szenen in der Parallelwelt des unerfüllten Kinderwunschs.
Mit der Zeit habe ich gemerkt, dass es gar nicht die negativen Tests am Ende des Monats sind, die mich so fertig machen. Es waren diese unerwarteten Wendungen, das Sich-zusammenreissen-müssen im Alltag, Situationen zu überleben, die ich mir nicht ausgesucht habe. Genau da begann ich, etwas zu verändern.
Ich wollte nicht länger von solchen Situationen überrumpelt werden, ich wollte keinem medizinischen Personal mehr ausgeliefert sein, das einfach seine Routine durchzog und mich mit meinen Gefühlen irgendwo links liegen liess.
Vor allem aber wollte ich meine Gedanken sortieren, dass wenn ich mal in eine unvermeidliche Situation gelangen sollte, ich jederzeit das Gefühl hatte, Herr oder vielmehr Frau der Situation zu sein.
Dieser Tag würde heute anders ablaufen
Einen solchen Tag würde es für mich heute nicht mehr geben und dies erarbeite ich auch mit meinen Klientinnen. Erstmal kläre ich Klientinnen in nicht medizinischer, sondern alltäglicher Weise über eine KiWu-Behandlung auf, indem wir sachlich aber offen über mögliche Ab- und Umwege einer solchen Behandlung sprechen.
In einer KiWu-Klinik werden einem vorwiegend Broschüren mit Erfolgsstatistiken vorgelegt und allfällige Umwege stehen irgendwo im Kleingedruckten.
Die Ärzte habe schlicht keine Kapazität, jede Eventualität vorher durchzugehen, vermutlich würde sich dann auch niemand für eine solche Behandlung entscheiden. Trotzdem ist der "Was wäre wenn"-Fall aber nicht unerheblich und auch gar nicht so selten. In meinem Coaching sprechen wir deshalb sachlich über einen Plan B eines Behandlungszykluses, bei der die Klientin jederzeit einen Notfallplan hat, wenn etwas mal nicht nach dem geplanten Kalender läuft.
Auch nur im Kleinen auf solche Überraschungen vorbereitet zu sein, nimmt sehr viel Druck und im Extremfall sogar ein Trauma, weil man in einem bereits stressigen Zyklus keine Kapazität für so etwas hat und in den Panikmodus verfällt.
Ein zentraler Bestandteil meines Coachings ist auch die Planung und Durchführung von Arztbesuchen. Diese sind Minenfelder von Triggern und leider zeigt meine breite Erfahrung, dass nur ein Bruchteil des medizinischen Personals für Patientinnen von unerfülltem Kinderwunsch akkurat geschult ist. Deshalb braucht es hier präventive Massnahmen, damit man auch hier keine Breitseite abbekommt, sondern jederzeit das Gefühl hat, den Termin durchstehen zu können. Das medizinische Ergebnis kann ich nicht beeinflussen, aber ich kann sehr stark beeinflussen, wie ich es aufnehme und wie ich damit umgehe. Die Struktur rund um den Termin ist ebenfalls essenziell, um sich eben nicht irgendwo in einer emotionalen Ausnahmesituation in der Stadt wiederzufinden.
Zu guter Letzt arbeiten wir auch mit Mentaltechniken aus dem Bereich der Krisenfälle, um uns auf Situationen wie Begegnungen mit Schwangeren im total falschen Zeitpunkt, übergriffige Fragen und unausweichliche Momente in der Öffentlichkeit vorzubereiten, in denen wir nicht weglaufen können oder uns sofort in einen Safe Space begeben können. Als Expertin für Krisenkommunikation und Krisenmanagement gibt es hier Techniken, die man von aussen ungesehen anwenden kann, die einen durch diese schwierigen Minuten bringen. Auch hier gilt: Man kann (und soll zu einem gewissen Punkt) diesen Situationen nicht vollständig ausweichen, denn sonst würde man zum Soziopath. Aber man kann zu einem grossen Teil lernen, wie man damit umgeht und wie man sie souverän durchsteht. Dies tue ich auch mit Mandanten, die sich vor Gericht unangenehmen Fragen stellen müssen.
Durch 32 eigene KiWu-Behandlungen kenne ich alle erdenklichen Trigger im Alltag, die zu so einer Parallelwelt führen können. Im Coaching lernen wir, wie wir die beiden Welten etwas näher zusammenbringen können, damit du möglichst nicht immer auf der Achterbahn fährst, sondern in einem ruhigeren Fahrwasser deinen Weg gehen kannst, auch wenn dieser länger sein sollte.
Mein Coaching-Programm stellt dich innerhalb von 12 Wochen komplett neu auf, mit dem Ziel, dass du deine Reise nochmal ganz neu und unbelastet beginnen kannst. Vor allem in Pausen zwischen zwei Behandlungen eignet sich das Programm als ideale Nutzung der Zeit, damit du nachher frisch gestärkt mit der Behandlung beginnen kannst. Melde dich bei mir für ein unverbindliches Gespräch, wenn du bereit bist für einen Neustart.
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