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Gewährspersonen für Single-Moms - ist das noch 2025?

„Wir behandeln auch Singles, aber… „


…wir sind noch nicht im Jahr 2025 angekommen.


Der erste Teil dieser Zeilen stammt von einer lieben Followerin, deren Zitat ich zum Anlass nehmen möchte, über einen Aspekt der Single-Elternschaft zu sprechen, der sich mir bis heute nicht erschliesst.


In einigen Bundesländern brauchen Solo-Moms gegenüber dem Jugendamt bzw. der Klinik eine Bestätigung einer sogenannten Gewährsperson, einer Art Bürge, der für das Kind geradestehen wird, falls der Solo-Mom etwas zustossen sollte. Soweit so gut - in der Praxis steckt aber mehr dahinter. Kliniken wiederum können meist selbst entscheiden, ob sie eine solche Gewähr verlangen oder nicht, wenn sie Single-Frauen behandeln.


Als Juristin verstehe ich den Grundgedanken, dass man bei einem von vornherein fehlenden Elternteil (analog zu Waisen) sicherstellen will, dass für das Kind gesorgt ist.


Im Jahr 2025 dürfen wir aber durchaus hinterfragen, wo Sorge aufhört und wo Bevormundung anfängt.

In der Schweiz wird in Fällen von Single-Elternschaft kein Vater im Geburtsschein angegeben. Solo-Mütter müssen sich dann mit der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde herumschlagen, die den Frauen extrem auf den Zahn fühlt, um nicht doch noch erfahren zu können, wer der Vater ist. Als Grund hierfür nennt die Behörde das Recht, die eigene Abstammung zu kennen. Dieses Recht ist in der Schweiz quasi absolut, d.h. auch wenn in einem anderen Land rechtsgültig die Anonymität eines Samenspenders (oder einer Eizellenspenderin) bestätigt wurde, wird das Recht des Kindes in der Schweiz gleich gewertet und könnte im Extremfall zu einem spannenden internationalen Prozess werden, wenn das Kind einmal sein Recht auf die Kenntnis der Vaterschaft geltend machen möchte. Verzichten kann nur die Mutter, aber für sich selbst und nicht rechtsgültig auch für das Kind.


Ich finde das Recht auf die Kenntnis der eigenen Herkunft wichtig, denn oft geht bei Betroffnen vergessen, dass ihr eigenes fehlendes Bedürfnis, einen Spender zu kennen, nicht zwangsläufig auch für das Kind so sein muss. Es ist wichtig und richtig, dass auch ein Kind, welches aus einer Spende stammt, seine genetischen Eltern kennen darf, auch wenn es seine Eltern evtl. nicht für nötig halten. Diese Entscheidung sollte das Kind eines Tages selbst fällen dürfen. So weit so gut.


Aber - und hier kommt das Aber: Nur weil jemand sich aktiv für den Weg der Spende entscheidet, heisst das nicht, dass diese Person sich faktisch dagegenstellt, dem Kind seine Herkunft zu verschweigen. Anders gesagt: Auch bei verheirateten Paaren (wobei der Vater bis neun Monate nach einer Scheidung rechtlich unantastbar als Vater des in der Ehe gezeugten Kindes gilt - auch wenn dies offensichtlich nicht so ist), kommt es öfters als erwartet vor, dass der rechtliche Vater nicht der biologische ist - aber niemanden interessiert es. Je nach dem, welcher Statistik man glauben mag, ist sogar jedes fünfte Kind ein Kuckuckskind. Dort würde niemals eine Behörde nachfragen, ähnlich wie man bei Verheirateten auch nicht fragt, in welcher Stellung das Kind gezeugt wurde. Moralisch wird also mit zweierlei Mass gemessen.


Stattdessen habe ich die Erfahrung gemacht, dass Single-Moms sich sehr vertieft mit diesen Fragen auseinandersetzen und sich in den wenigsten Fällen von vornherein dagegenstellen, dass ihr zukünftiges Kind seinen Erzeuger einmal identifizieren darf. Dies ist nicht von vornherein die Aufgabe der Behörden, sondern ihre Aufgabe wäre es, einzuschreiten, wenn dem Kind dies verweigert würde.


Stattdessen müssten betroffene Frauen aber oft unwürdige Fragen über sich ergehen lassen, was gerade bei langem unerfüllten Kinderwunsch extrem re-traumatisierend sein kann.

Als Juristin weiss ich auch, dass es den Behörden oft nur vordergründig um die Gewährleistung der Herkunftskenntnis geht - die man im übrigens juristisch auch prima selbst gewährleisten kann. So kann die Adresse einer Reproduktionsklinik auch in einem Testament festgehalten werden, oder es kann rechtlich eine private Gewährsperson bestimmt werden, die über die Herkunft des Kindes informiert ist, sollte der Mutter etwas zustossen. Die meisten Mütter setzen sich sehr gewissenhaft mit solchen Konstellationen auseinander, aber es ist nicht die Aufgabe der Behörde, sich vorsorglich einzumischen, wenn erkennbar ist, dass jemand privat bereits vorgesorgt hat. Der gesetzliche Auftrag gibt das in dieser Form gar nicht her, und doch werden viele Betroffene überrumpelt und geben Informationen, die sie gar nicht müssten.


Unter dem Deckmantel dieser Herkunftskenntnis geht oft vergessen, dass es den Jugendämtern vor allem auch darum geht, dass nicht der Staat für den Unterhalt aufkommen muss, wenn es keinen rechtlichen Vater gibt. Das kann ich als Steuerzahlerin verstehen, jedoch ist das Bild, welches ich in der Praxis gewonnen habe, ein völlig anderes. Single-Moms wissen von Anfang an, dass sie alles alleine schaffen müssen. Sie richten ihr Leben meist schon vor der Schwangerschaft auf die Kompatibilität mit Kind aus, das heisst sie suchen einen Job, den sie mit dem Kind vereinbaren können. Sie wohnen so, dass sie kurze Wege zur Kita haben, weil niemand anders das Kind abholen kann. Sie knüpfen sich ein gutes Netz aus Familie, Freundinnen und vielleicht sogar anderen Single-Mamas, damit man sich im Zweifel helfen kann. Ich persönlich habe noch keine Single-Mom getroffen, die ihre Finanzen zulasten des Kindes nicht im Griff hatte. Und genau das stört mich an dieser Diskussion.


Mal angenommen, man lernt jemanden kennen - und so dürfte es allen Eltern erstmal gehen - man denkt, dass es der Partner fürs Leben ist und man gründet mit ihm eine Familie. Man geht davon aus, dass man sich ein Kind zu zweit leisten kann, man behält den alten Job, weil man ja immer noch den Partner hat, der einspringen kann. Im Grunde genommen verändert man nichts an seinem Leben, weil es gibt immer ein Backup. Genau hier wird es spannend: Irgendwann kommt der Moment, in dem das Kartenhaus zusammenfällt und das passiert ja mittlerweile bei jeder dritten Ehe, also gar nicht so selten. Hier müssen wir jetzt genauer hinschauen: Mal angenommen, der Partner hat mich betrogen. Ist er dann schuld, dass die Beziehung in die Brüche ging, dass ich als Opfer nicht für mein Kind alleine aufkommen kann? Selbst wenn - kommt er nun sofort und tatsächlich für jegliche Veränderung auf, die sich dadurch ergibt? Oder bin ich schuld, dass ich ihn mich habe betrügen lassen, weil ich vielleicht in der Beziehung genau das provoziert habe? Was ist, wenn er seinen Vollzeitjob kündigt und nur eine Teilzeitstelle annimmt, damit er weniger oder keinen Unterhalt bezahlen muss? Oder bin ich schuld, wenn ich einen One-Night-Stand habe und nicht verhüte und der rechtliche Vater einfach kein Geld hat, um den Unterhalt zu bezahlen? Was ist, wenn wir uns trennen und wir plötzlich zwei Wohnungen finanzieren müssen und dem Kind nicht den gewünschten Lebensstandard bieten können, den wir mal geplant hatten?


Keine dieser Situationen kann man mit einer Schuldskala bewerten, denn sie sind das Leben. Vor vierzig Jahren haben es bei Scheidungen die sogenannte Schuldfrage, bei der vor allem Frauen systematisch benachteiligt wurden. Davon hat man aus gutem Grund im modernen Recht Abstand genommen, weil Schuld nicht so einfach zu definieren ist. Genau das machen aber Behörden, indem sie dieses Defizit bei Single-Moms aber schon vorwegnehmen, indem man gerade ihnen nicht zutraut, ihr Leben im Gruff haben zu können.

Nur als Vergleich: In den 1960er Jahren konnte eine Frau keinen Arbeitsvertrag alleine unterzeichnen, sondern der Ehemann musste zustimmen. Was ist hier so anders? Aus meiner langjährigen Erfahrung als Juristin mit hunderten von Scheidungsberatungen weiss ich genau, dass es eben oft gerade die mangelnden Vorsorge ist, warum Eltern im Falle einer Trennung ihr Leben eben nicht im Griff haben. Es sind dann genau diese Fälle, in denen Kinder herumgereicht werden, weil ein Jobwechsel mitten in der Scheidung halt zum völlig falschen Zeitpunkt kommt, die Fälle, in denen emotionale Konflikte auf dem Rücken der Kinder ausgetragen werden, die manchmal einen Schaden davontragen. Die Fälle, in denen aus Trotz kein Unterhalt bezahlt wird, weil ein Partner sich quer stellt - nur um dem anderen zu schaden. Und wo sind dann die Behörden? Oft nirgends.


Ein Kind zu bekommen heisst, Verantwortung zu übernehmen. Meine Erfahrung als Juristin zeigt, dass die Verantwortung sehr oft dort vergessen wird, wo man nur einen Plan A hatte, weil man einfach glaubte, dass alles gut gehen wird. Plötzlich greift dann der Plan B und selbst gut situierte Eltern geraten völlig aus der Bahn. Dann bewertet niemand, dann fragt keine Behörde nach einem Fangnetz. Es sind oft genau diese Mütter, die nach einer überraschenden Scheidung Zuschüsse vom Amt beantragen müssen, weil sie sich das alles so nicht vorgestellt haben und es sie nun mit voller Wucht erwischt hat. Fragt dann jemand nach einer Gewährsperson? Fehlanzeige, sie werden als Opfer gesehen, als arme alleinerziehende Frauen, die doch alles wollten, nur das nicht. Es steht mir nicht zu, deren Situation zu bewerten, ich stelle lediglich fest, dass es sie gibt und dass sie oft als Opfer wahrgenommen werden, obwohl sie eben gerade den Plan B viel mehr vernachlässigt haben, als eine Single-Mom dies meistens tut.


Diese Diskussion mit zweierlei Mass stört mich beim Thema Single-Moms, denn in der Praxis glänzen letztere oft mit einer genau durchdachten Lebensplanung, die sehr viel verantwortungsvoller daherkommt, als bei manchen Familien, die sich schon ihre jetzigen Kinder nicht leisten können, die einfach so in den Tag hineinleben.

Ich finde es gut, dass es Angebote wie psychosoziale Beratungen gibt, um Single-Moms auch auf soziale Fragen vorzubereiten, etwa wie man mit dem Kind über seine Herkunft spricht, oder wie man sich im Umfeld damit positioniert. Es stört mich aber, dass solche Beratungen verpflichtend sind, denn sie haben damit eine Bevormundung zum Inhalt, welche Paar-Eltern niemals erfahren, und doch brauchen sie keinen Eltern-Führerschein.


In den skandinavischen Sprachen gibt es das Wort „föräldrar“, was übersetzt Eltern bedeutet, aber es gibt auch den „förälder“, den Elter sozusagen. Auf vielen Formularen findet man nur den Begriff, weil schon in der Mentalität davon ausgegangen wird, dass ein Elternteil gleichwertig entscheidungsfähig ist wie zwei.


Um auf das einleitende Zitat zurückzukommen: Wenn man in einer Klinik anruft und sich nach Behandlungsmethoden erkundigt, heisst es dann eben zum Beispiel: „Wir behandeln Singles, aber…“ und genau das Aber ist das Problem. Damit geht eine Wertung einher, die sich meiner Meinung nach niemand anmassen kann, nicht mal der Gesetzgeber. Massgebend für das Kindeswohl sind die Umstände, die elterliche Liebe und Fürsorge, nicht der Zivilstand auf dem Papier.


 
 
 

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