KiWu ab 40 - Teil 1: Vorfragen
- Anna Bergmann

- 15. Juli
- 7 Min. Lesezeit
Unabhängig davon, ob im Einzelfall eine schwierigere Ausgangslage vorliegt oder nicht - viele Frauen verspüren ab 40 einen riesigen Zeitdruck, um schwanger zu werden.
Vermutlich wäre es eine riesige Ausnahme, dass jemand sich schon vor dem Kinderwunsch über alle Eventualitäten Gedanken macht oder annimmt, zu den 1 von 6 Paaren zu gehören, die von unerfülltem Kinderwunsch betroffen sind. Meist ist es eher das Gegenteil: Menschen starten sehr positiv und unbedaft in den Kinderwunsch - wenn auch spät. Ich habe viele Kundinnen und Kunden in der Beratung, bei denen sich aber nach einer gewissen Zeit plötzlich elementare Fragen stellen und der ganze Prozess dadurch unerwartet unterbrochen wird.
Was dann passiert: Stillstand, Stress, Zeitverlust.
Bevor ich in dieser Serie auf die offensichtlichen Punkte eines Kinderwunsches ab 40 eingehe, möchte ich den wichtigsten Punkt an den Anfang stellen: Vorfragen.
Viele meiner Klienten haben sich über diese Fragen keinerlei Gedanken gemacht, aber plötzlich kamen sie um die Ecke und haben sich ihnen vollkommen in den Weg gestellt. Manchmal folgte dann eine lange Phase der Uneinigkeit, oftmals auch durch falsche Annahmen, sodass am Ende beide nur verlieren können. Ich möchte mit diesem Beitrag daher ein wenig aufrütteln,
sich rechtzeitig mit den essenziellen Fragen zu beschäftigen, denn nur dann hast du jederzeit alle Optionen offen bzw. wenn du in einer Sackgasse gelandet bist, kennst du schon den Ausweg und musst dir nicht zuerst einen Stadtplan kaufen...
Kinderwunsch wird aufgeschoben
Es geht mir keineswegs darum, eine Entscheidung für ein Kind hier irgendwie zu werten. Ich erlebe aber viele Frauen, die sich viele Jahre, manchmal sogar Jahrzehnte mit der Frage nach einem Kind schwertun und die Frage sehr lange vor sich herschieben. Oft beginnen sie sogar erst ab 40, sich aktiv mit der Frage auseinanderzusetzen. Da es sich um eine der allerwichtigsten Fragen des Lebens überhaupt handelt - auch bei einem Hauskauf entscheidet man sich ja nicht in zwei Minuten - dauert dieser Prozess in jedem Fall seine Zeit. Wenn aber dann gerade nicht der richtige Zeitpunkt ist, verlieren diese Frauen biologisch wertvolle Zeit. An dieser Stelle möchte ich nochmals in Erinnerung rufen: 1 von 6 Paaren leidet unter unerfülltem Kinderwunsch. Es kann jedes Paar treffen. Wenn mit 42 erst die üblichen "Probemonate" für ein, zwei Jahre angefangen werden, kann es je nach dem sehr schwierig werden.
Viele Frauen schieben die Frage nach dem Kinderwunsch hinaus, weil sie andere Prioritäten haben, weil sie auf den richtigen Zeitpunkt warten, weil sie Angst davor haben. Das sind alles legitime Gründe. Trotzdem lohnt es sich, diesen mal im Detail auf den Grund zu gehen. Wovor habe ich denn so Angst? Was wäre denn der richtige Zeitpunkt? (Spoiler: Diese Deadline ist in deinem Leben garantiert schon drei Mal für irgendetwas abgelaufen und trotzdem hast du nichts geändert?) Reicht auch ein zu 90% richtiger Zeitpunkt? Was sind jetzt meine Prioritäten? Warum sind diese so und was ist das Ziel? Möchte ich fünf Jahre arbeiten um dann sicher befördert zu werden, oder will ich einfach die Frage fünf Jahre nach hinten schieben? Was, wenn ich dann befördert bin? Soll es dann dabei bleiben, oder habe ich doch noch weitere Pläne? Oftmals haben sich meine Kundinnen diese Fragen nicht gestellt. Manche von ihnen konnten mir nicht beantworten, warum sie ihren aktuellen Job so unersetzbar fanden und wo sie sich in drei Jahren sahen. Sie konnten mir nicht erklären, was für Karrieremöglichkeiten sie mit Kind hätten, weil sie es noch nie zu Ende gedacht haben.
Niemand muss zu einem bestimmten Datum ein Kind haben.
Was aber manchmal eine falsche Sicherheit sein kann, ist die Kinderfrage bis zum Sanktnimmerleinstag immer wieder aufzuschieben, weil man irgendeinem Bestandteil davon ausweicht.
Welcher das ist, wissen die Betroffenen oft nicht, aber genau der wäre so wichtig, um ihn aktiv auszuräumen. Das muss nicht heissen, dass man dann gleich loslegt, aber dass man einen Plan hat.
Wie weit würden wir gehen?
Natürlich erschliesst sich einem nicht die ganze Welt der Fruchtbarkeitsbehandlungen im Vorfeld und das ist gut so - viele Betroffenen denken sich während dem Prozess mehr als ein Mal "Augen zu und durch". Aber wenn man sich vielleicht mal einen Film anschaut, in dem es um IVF geht, darf man sich durchaus fragen: Wie würde ich mich dabei fühlen? Könnte ich mir das vorstellen oder wenn nicht - warum nicht? An wen könnte ich mich wenden, wenn dieses Thema mein Leben erreichen würde? Kann mir jemand helfen, über diese Frage nachzudenken?
Es klingt banal, aber Themen wie Sterbehilfe, Chemotherapien, Bluttransfusionen, Schönheits-OPs betreffen genau die gleichen ethischen Fragen, auf die es keine richtige oder falsche Antwort gibt. Diese sind in aller Munde - IVF oder Eizellenspende aber nicht.
Aber sich im Vorfeld einmal damit auseinanderzusetzen hilft, Ängste gleich zu identifizieren, damit man nicht erst mit dem Rücken zur Wand stehen muss, wenn man keine andere Wahl mehr hat.
In meinem Leben damals hat IVF überhaupt keine Rolle gespielt. Ich dachte, dass eines von hundert oder tausend Paaren damit zu tun hätte, aber sicher nicht wir. Ich wäre froh gewesen, mehr über dieses Thema erfahren zu können, medial, fiktional oder wie auch immer. Sicher wäre ich froh gewesen, wenn ich es ohne IVF geschafft hätte, aber zu wissen, dass es das gibt, dass es viele brauchen und dass es normal ist, hätte mir viele schlaflose Nächte erspart.
Social Freezing
Im Blog findest du einen sehr detaillierten - und vor allem kritischen Beitrag über Social Freezing. Damit wird Frauen in vielen Fällen eine falsche Sicherheit verkauft, weil für eine Garantie auf ein Kind sehr, sehr viele Runden Social Freezing nötig sind, um genügend Eizellen zu haben. Auch dann ist nicht ausgeschlossen, dass man später Probleme hat, schwanger zu werden. Ich möchte deshalb ein bisschen wachrütteln, dass Social Freezing keine sichere Alternative ist, sich über essenzielle Fragen erst später Gedanken zu machen. Es kann gewisse Effekte abfedern, aber längst nicht so viele, wie die Werbung suggeriert.
Was wären wir bereit, dafür zu opfern?
Obwohl Paare über 35 Jahren oft besser situiert sind und auf gewisse Konstanten in ihrem Leben zurückgreifen können, sind Kinderwunsch-Behandlungen ab 35 oft mit zusätzlichen Versuchen verbunden. Gerade wenn man aus der Altersspanne für Kassenleistungen herausfällt, müssen alle Behandlungen selbst bezahlt werden. Umso einschneidender können dann finanzielle Herausforderungen sein, wenn man sich schon einen gewissen Lebensstil gewöhnt ist, zweites Auto, Haus gekauft usw. Auch hier kann es nur helfen, über solche Fragen einmal ganz hypothetisch zu sprechen. Wären wir konkret bereit, ein Auto zu verkaufen (hierüber habe ich schon tränenreiche Konversationen geführt)? Wären wir bereit, Rücklagen (Erbe, Sparbuch, usw.) anzuzuapfen? Hat man vielleicht jemanden in der Familie, der einem dabei unterstützen würde?
Eizellenspende (oder Samenspende)
Zum Thema Eizellenspende habe ich zwei separate Blogbeiträge, wo es um die ethischen, juristischen und praktischen Fragestellungen geht. Deshalb möchte ich hier auf einen anderen Aspekt eingehen. Fakt ist, dass die Eizellenqualität bei Frauen ab ca. 35 Jahren abnimmt und es je nach Alter oft daran liegt, dass es mit einer Schwangerschaft nicht klappt. Natürlich sind auch andere Diagnosen oder Kombinationen davon denkbar.
Da die Eizellenspende in Deutschland und in der Schweiz verboten ist, wird seitens der behandelnden Frauenärzte nicht über dieses Thema gesprochen, da sie sich sonst einer verbotenen Werbung schuldig machen könnten.
Deshalb kursieren eine Menge falsche Informationen und vor allem emotional geladene Ansichten zu diesem Thema, die mit der Praxis aber wenig gemein haben. Entsprechend können sich viele Paare nicht mit der Eizellenspende anfreunden, was aber nach meiner Erfahrung oft auf unzureichenden Informationen beruht.
Sind erst einmal alle anderen Optionen ausgeschöpft, ist die Eizellenspende oft die letzte Option. Wenn man dann aber schon emotional, finanziell und organisatorisch am Limit ist, fällt es vielen Betroffenen schwer, sich für diese Variante zu entscheiden - zumindest gibt es hier viele Vorbehalte.
Mit diesem Beitrag (und den beiden anderen informativen Posts dazu) möchte ich daher appellieren, sich einfach mal ganz neutral mit diesem Thema zu befassen. Viele Betroffene verlieren dabei die Hemmungen oder können ethische Fragen klären und haben dementsprechend keine Angst mehr vor dieser Option. Ob man sie dann tatsächlich wahrnimmt, ist eine ganz andere Frage, aber es ist nicht nötig, deshalb in eine Lebenskrise zu kommen (ich spreche aus Erfahrung).
Solo-Mutterschaft
Immer wieder begegnen mir Frauen, die eine Beziehung eingegangen sind, weil der Kinderwunsch im Vordergrund stand. Wenn es dann nicht klappt, wird die (vielleicht ohnehin schon nicht perfekte) Beziehung überstrapaziert und es kommt zum Bruch. Als ich diese Zeilen schreibe, hat mich gerade wieder eine Nachricht einer Kundin erreicht, der genau das passiert ist. Oft fühlen sich diese Frauen, als stünden sie vor einem Scherbenhaufen. Nicht nur die Beziehung ist kaputt gegangen, sondern auch ihre Pläne für ein Kind. Aber ist das wirklich so?
Sich über Solo-Mutterschaft mal Gedanken zu machen, ist in jedem Fall eine gute Überlegung. Ich mache hier keineswegs Werbung für diese Familienform, aber sie erscheint mir in vielen Fällen eine gangbare Alternative, auch wenn sie vielleicht ein bisschen speziell ist. Viele meiner Kundinnen haben diese Option überhaupt nie bedacht, aber so weit liegt sie gar nicht von den reellen Lebensverläufen entfernt. Mindestens eine von drei Ehen wird geschieden und ein Kind ist kein Garant für eine glückliche Beziehung - warum also nicht mal überlegen, ob man das im Extremfall doch alleine durchzieht? In meinem Blog findest du ebenfalls einen eigenen Artikel dazu. Ich möchte hier lediglich frühzeitig auf diese Option hinweisen, weil ich schon viele Frauen beraten habe, die mit 40 plötzlich alleine waren und dann viele Jahre einen Partner gesucht haben, um erst danach zu merken, dass es Probleme beim Schwangerwerden gibt.
Du kommst bei einer Grundsatzfrage einfach nicht weiter? Du weisst nicht, was für dich richtig oder falsch ist? Als ehemalige Betroffene - aber vor allem als Juristin und Philosophin sind solche schwierigen Fragen genau mein Spezialgebiet. Gemeinsam finden wir die für dich richtige Antwort, damit du eine Perspektive für deinen Kinderwunsch hast.
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