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Zusätzliche Ferientage vom Arbeitgeber für IVF-Behandlungen - ein gutes Beispiel macht Hoffnung

Autorenbild: Anna BergmannAnna Bergmann

Hinweis: Ich mache weder Werbung für die AXA, noch erhalte ich irgendwelche Vergütungen für diesen Beitrag. Die Einschätzung basiert ausschliesslich auf meiner privaten Meinung bzw. individuellen juristischen Einschätzung.


Auf meinem Instagram-Kanal habe ich schon oft darüber berichtet, wie schwer es sein kann, wenn man bei der Arbeit wegen Kinderwunschbehandlungen bzw. wegen allen notwendigen Voruntersuchungen fehlt. Aus eigener Erfahrung weiss ich, dass es nicht leicht ist, alle Termine zu koordinieren, dass aber sehr schnell auch juristische Risiken lauern, wenn man das Thema offen anspricht.


Auch in meinen Coachings hat die überwiegende Mehrheit der Klientinnen Angst vor juristischen Konsequenzen, namentlich vor einer Kündigung wegen zu vielen Fehlzeiten, vor Ausschlüssen bei weiteren Karriereschritten oder auch vor dem Gefühl, dass der Vorgesetzte oder die HR-Abteilung von den Problemen beim Kinderwunsch wissen. Mal ehrlich: Wer möchte schon, dass die ganze Belegschaft in der Pause Bilder im Kopf hat, wenn man erzählt, dass man zu einer Gebärmutterspiegelung muss? Wohl niemand. Es ist tatsächlich ein grosser Unterschied, ob man nur zur Physiotherapie geht, oder eben vor langwierigen Behandlungen steht.


Umso mehr war ich überrascht, als ich in der sonst konservativen Schweiz kürzlich die Medienmitteilung der AXA gelesen habe, die neu fünf Tage Extraurlaub anbieten will für Betroffene von unerfülltem Kinderwunsch (übrigens auch bei Fehlgeburten!), um diese bei den IVF-Behandlungsterminen besser zu unterstützen.


Als Juristin und Sozialversicherungsfachfrau habe ich mich gefragt: Wie soll das ablaufen? Wer erfährt davon und wie kann sichergestellt werden, dass diese Informationen vertraulich bleiben und nicht eines Tages gegen einen verwendet werden? Das hat mich nicht in Ruhe gelassen und ich habe die Medienstelle der AXA angeschrieben. Postwendend erhielt ich eine Einladung zu einem Teams-Call, um mit der verantwortlichen Abteilungsleiterin zu sprechen, die das Programm mitentwickelt hat.


An dieser Stelle muss ich sagen, dass ich dies schon sehr positiv finde, denn viele Unternehmen werben mit Vorteilen gross auf Postern - aber wenn es dann darum geht, dies einzufordern, ist das Engagement plötzlich weniger gross. Umso mehr war ich positiv überrascht, dass mir gleich ein Call angeboten worden ist, obwohl ich ja selbst gar nicht bei der AXA arbeite.


Die zuständige Mitarbeiterin erklärte mir auf meine Frage hin, dass sie sich bewusst dafür entschieden hätten, den Persönlichkeitsschutz der Mitarbeiterinnen ins Zentrum zu stellen, damit die freien Tage auch in Anspruch genommen werden. Konkret bedeutet dies, dass kein Arztzeugnis der KiWu-Klinik eingereicht werden muss, sondern dass man die Zusatztage einfach ohne Begründung beziehen kann (es gibt noch andere Gründe zur Auswahl). Die Mitarbeiterinnenmüssen im HR-Tool für ihre Abwesenheit lediglich den Grund "Entlastungstag", wie die AXA die Tage intern nennt, auswählen. Entlastungstage sind bezahlte Freitage, die auch für andere herausfordernde Lebenssituationen in Anspruch genommen werden können.


Vielleicht stellt ihr euch die Frage, ob das nicht ganz leicht missbraucht werden könnte, ganz nach dem Motto: "Da könnte ja jeder kommen"? Als Juristin mit über zehn Jahren Erfahrung im Arbeitsrecht kann ich sagen, dass der Missbrauch von Freitagen nicht an die Zahl und auch nicht an den Prozess gebunden ist. Wohl gibt es in jedem Unternehmen Leute, die sich krank melden, obwohl sie es gar nicht sind. Dafür gibt es wiederum andere, die trotz Krankheit arbeiten. Die AXA betont in diesem Kontext, dass sie ihren Mitarbeitern vertraut, dass sie die Tage verantwortungsbewusst beziehen.


Aus meiner Arbeit mit Betroffenen weiss ich, dass es den meisten Arbeitnehmerinnen ausgesprochen unangenehm ist, wenn sie wegen Behandlungen nicht arbeiten können. Selbst wenn mal ein Tag mehr zur Erholung bezogen würde, hat das letztlich ja einen nachhaltigen Effekt, dass man für die Arbeit wiederhergestellt ist.


Das Gespräch hat mich persönlich sehr überzeugt und die Lösung der AXA ist meines Erachtens die einzige, welche zu 100% vertrauenswürdig ist und auch auf lange Sicht einen Mehrwert bringt. Der Zeitaspekt ist nämlich ein grosses Risiko für Betroffene: Nur weil die jetzige Vorgesetzte evtl. "kein Problem" mit KiWu-Behandlungen und den daraus resultierenden Abwesenheiten hat, muss das nicht automatisch für alle künftigen Vorgesetzten oder Teammitglieder gelten.


Meine eigene KiWu-Reise dauerte fast sieben Jahre und erstreckte sich über drei Arbeitgeber - keinem davon hätte ich meine Geschichte anvertrauen können. Bei einer Knieoperation ist das kein Problem, weil diese innert wenigen Wochen auf ewig auskuriert sein wird. Beim Kinderwunsch mag sich jedoch niemand ausmalen, dass dies auch Jahre dauern könnte.


Das wichtigste Fazit für mich als Juristin ist, dass eine solche Lösung nur dann Sinn macht, wenn sie den Betroffenen dauerhaft die Angst nimmt und sie wirklich nachhaltig unterstützt. Alle anderen Lösungen, die ich bisher gesehen haben, bargen doch an der ein oder anderen Stelle ein juristisches Risiko. Das Schlimmste, was einem als Betroffene passieren kann, ist dass man nicht nur sein Kind verliert, sondern deswegen auch seinen Job (ich weiss wovon ich spreche - ich habe an meinem ersten Arbeitstag nach der Fehlgeburt gleich auch noch die Kündigung erhalten). In solchen Momenten hat man keine Kraft, um für seine Rechte zu kämpfen, auch wenn eine Kündigung wegen Kinderwunsch natürlich missbräuchlich bzw. diskriminierend wäre. Nicht mal ich als Arbeitsrechtsexpertin hatte in diesem Moment die Kraft, mich dagegen zu wehren.


Mit der Lösung der AXA ist nun aber ein grosser Konzern mit sehr gutem Beispiel vorangegangen und das macht Hoffnung. Schliesslich dürften rund die Hälfte der Arbeitnehmer Frauen sein und eine solche nachhaltige Unterstützung ist im Einzelfall Gold wert.



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